Kulturschaffende*r – Ein Beruf mit Zukunft für Künstlerinnen und Künstler

Warum wir ein neues Berufsbild für Künstler*innen brauchen

Künstlerische Berufe stehen vor einem tiefgreifenden Wandel. Auch wenn es niemand laut ausspricht: Der Bildermarkt ist gesättigt. Nur etwa 1 bis 3 % der professionellen bildenden Künstler*innen in Deutschland können allein vom Verkauf ihrer Werke leben. Laut Künstlersozialkasse verdienen viele weniger als 15.000 Euro brutto im Jahr. Zugleich werden öffentliche Mittel und Fördergelder zunehmend weniger, und stetige Aufträge sind. Die Mehrheit der Kunstschaffenden sichert schon jetzt ihren Lebensunterhalt durch ergänzende Tätigkeiten wie Lehre, Vermittlung oder Auftragsarbeiten.
Aber: Die Vorstellung, dass man als Künstlerin nur dann erfolgreich ist, wenn man ausschließlich Bilder verkauft, greift zu kurz. In einer komplexen Welt, die nach Orientierung, Verbindung und Sinn sucht, braucht es neue Rollenbilder – und neue Berufsdefinitionen.

Die Veränderung hat bereits begonnen

Kunst zu unterrichten galt lange als zweitklassig, als Notlösung für jene, die am Markt nicht bestehen konnten. Doch dieses Bild wird der Realität bei weitem nicht mehr gerecht. Wenn man den Kunstbegriff erweitert, wird deutlich, welch große gesellschaftliche Bedeutung gerade die Vermittlung künstlerischer Ausdrucksformen hat. Wer anderen Menschen die Möglichkeit gibt, sich nichtsprachlich auszudrücken, stärkt deren Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit – eine zentrale Ressource in Zeiten von Orientierungslosigkeit, Stress und digitaler Überforderung.

Berufsbeschreibung: Kulturschaffende*r

Deshalb glaube ich, dass wir die Berufsbeschreibung von Kunstschaffende auf Kulturschaffende erweitern sollten. Denn dann ergeben sich eine ganze Reihe von Tätigkeitsfeldern, die nicht nur eine wichtige Rolle in der Gesellschaft erfüllen, sondern auch die Lebensplanung der Kulturschaffenden selber erheblich erleichtern können. 
Was also tun Kulturschaffende: sie entwickeln kreative Räume, Formate und Prozesse, die Menschen zur aktiven Auseinandersetzung mit sich selbst, der Umwelt und dem Zeitgeschehen anregen.

Dazu gehören zum Beispiel:

  • Gestaltung von physischen Erfahrungsräumen (z. B. Kunstgärten, Erlebnisorte, Themenpfade)
  • Entwicklung ganzheitlicher Bildungsangebote (z. B. Kunstunterricht, Workshops, Retreats)
  • Verbindung von bildender Kunst mit Philosophie, Naturerfahrung und Gemeinschaft
  • Verbindung von Kunst und Psychologie
  • Entwicklung von Programmen, die Natur und Kunst für Kinder/Erwachsene mit therapeutischen Zielen verbinden
  • Begleitung von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen
  • Aufbau nachhaltiger Kulturräume, die Kunst, Alltag und Leben verbinden
  • Sichtbarmachung von Lebensrealitäten durch realistische oder expressive Gestaltung
  • Künstlerische Arbeit im Freien: Landart-Projekte, Naturzeichnungen, Skulpturen aus Naturmaterialien
  • Gestaltung und Pflege von künstlerisch konzipierten Gärten nach ökologischen Prinzipien
  • Durchführung von Führungen, Naturmeditationen oder Kunstspaziergängen zur Naturerfahrung

 

Arbeitsweise

Kulturschaffende arbeiten interdisziplinär, ortsgebunden oder ortsunabhängig, oft projektbezogen. Sie kombinieren gestalterische Fähigkeiten mit sozialem Gespür, pädagogischer Erfahrung, Nachhaltigkeitsdenken und kommunikativer Stärke. Digitale Medien, persönliche Begegnung und handwerkliches Können sind dabei gleichberechtigte Werkzeuge.

Ziele

  • Bewusstseinsbildung und gesellschaftlicher Wandel
  • Stärkung der kulturellen Teilhabe
  • Förderung kreativer Selbstwirksamkeit
  • Verbindung von Ästhetik, Sinn und Lebensfreude

 

„Kunst wird zum Erfahrungsraum“ – ein Vorbild aus der Praxis

Ein Beispiel für diese neue Rolle ist meine Arbeit auf dem Wunderhof: Aus einem alten Bauernhof wurde ein lebendiger Kunst- und Naturort. Hier wird nicht nur gemalt – hier wird Kunst gelebt, gezeigt, weitergegeben und erfahrbar gemacht. Der Lebensgarten, die Kunstkurse, das Café und der bewusste Umgang mit der Natur zeigen, wie Realismus in der Malerei und Raumgestaltung im echten Leben Hand in Hand gehen können. Hier wird ein Beruf der Zukunft bereits gelebt: nicht linear, sondern ganzheitlich. Nicht marktgetrieben, sondern sinngetragen.

Fazit: Neue Räume, neue Berufe, neue Wirkung

Die Zeit ist reif für ein neues Selbstbild von Kunstschaffenden. Kulturschaffende gestalten nicht nur Werke, sie gestalten Wirklichkeit. Sie sind Brückenbauer*innen zwischen Kunst und Leben, zwischen Ausdruck und Wirkung, zwischen Innen und Außen.
Wer sich für diesen Weg entscheidet, braucht Mut, Klarheit und ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse der Zeit. Dafür entsteht ein Beruf, der nicht nur nachhaltig ist – sondern auch zutiefst erfüllend.

Blick in das Atelier von Evi Steiner-Böhm mit Staffelei im Hintergrund und einem großen Tisch mit vielen Bildern darauf
Zwei Frauen stehen vor einer Informationstafel und halten eine Rede