Warum wir Frauen in der Kunst noch immer sichtbar machen müssen

Ein persönlicher Rückblick auf 25 Jahre Ost-West-Dialog, frauenpolitisches Engagement und nationale Sichtbarkeit

Ein schüchterner Anfang – und eine kraftvolle Erkenntnis

Als ich 1999 gemeinsam mit meiner ostdeutschen Kollegin Roswitha Braun-Sauerstein den Ost-West-Dialog begann, wussten wir: Unsere Zusammenarbeit, die auf einer Methode aus der Kunsttherapie basiert, war mehr als ein gemeinsames Kunstprojekt. Sie war ein Novum: Wir malten zu zweit auf einer Leinwand, ohne Worte, zu für uns damals persönlichen und gesellschaftlichen Themen. Ergänzt wurde das entstandene Bild durch schriftliche Reflexionen während des Prozesses und im Nachgang. So entstand ein intensiver künstlerischer und menschlicher Dialog, den wir auch heute noch sporadisch führen.

Doch als wir begannen, nach Ausstellungsorten in großen Städten zu suchen, begegnete uns ein hartnäckiger Widerstand. Nicht offen, aber spürbar. Vor allem männliche Galeristen und Kuratoren reagierten abwertend oder gar nicht. Uns wurde schnell klar: Es ging nicht um die Qualität unserer Arbeiten – sondern um unser Geschlecht.

Frauen in der Kunst: Noch immer im Schatten

Unsere Recherchen bestätigten den Eindruck: Frauen in der Kunst werden nicht übersehen, weil sie weniger leisten – sondern weil ihre Themen oft nicht als „relevant“ gelten. Werke von Männern gelten als universell, die von Frauen als „privat“ oder „emotional“. Diese systematische Geringschätzung hat Tradition – und sie hält bis heute an.

Der Frauenkunstpreis „Frauen sehen Männer“ als Echo

Diese Erfahrung war Auslöser für ein aktives Zeichen: 2000 initiierte ich als Fachbereichsleiterin für kulturelle Bildung an der VHS Amberg-Sulzbach den ersten Frauenkunstpreis der Region, unterstützt vom damaligen Landrat Dr. Hans Wagner und der Sparkasse. Das Konzept war bewusst provokant:

  • Teilnahme nur für Frauen
  • Eine rein weibliche Jury
  • Ein Titel, der die Sichtachse umkehrte: „Frauen sehen Männer“

 

Ich eröffnete die Ausstellung mit einer Rede über den Ausschluss von Frauen aus Sprache und Öffentlichkeit – von der Hexenverfolgung bis zur fehlenden Präsenz in Museen. Die Reaktionen waren geteilt: Während die Frauen begeistert waren, reagierten viele Männer gereizt. Am Ende sagte der Sparkassendirektor: „Als Nächstes brauchen wir aber jetzt einen Männerkunstpreis.“

Ein bedeutender Auftritt in Berlin

Dem damaligen Landrat Dr. Hans Wagner war es danach ein Anliegen, unseren Ost-West-Dialog auf Bundesebene sichtbar zu machen. Er empfahl uns an den Bundestagsabgeordneten Reinhold Strobl weiter – mit Erfolg. Im Oktober 2001 erhielten wir die Möglichkeit, unsere Arbeiten zum Ost-West-Dialog anlässlich des Tages der Deutschen Einheit im Kultur- und Freizeitforum Berlin-Marzahn zu präsentieren.

Ein besonderer Höhepunkt war, dass Dr. Christine Bergmann, die damalige Bundesfamilienministerin, die Eröffnungsrede der Ausstellung übernahm. Ihre Unterstützung war ein starkes Zeichen – nicht nur politisch, sondern auch menschlich. Sie erwarb unser Bild „Heimat“ für das Bundesfamilienministerium, was uns sehr berührte und bestärkte.

Diese Ausstellung war ein Meilenstein auf unserem Weg: Sie zeigte, dass unsere Themen – Herkunft, Verbundenheit, der Dialog zwischen Ost und West, aber auch zwischen den Geschlechtern – nicht nur relevant, sondern gesellschaftlich notwendig waren.

Die POLITEIA-Fahnenausstellung – Frauen sichtbar machen, auch lokal

2002 nahm ich den Impuls des Sparkassendirektors auf – aber nicht, um einen Männerpreis zu organisieren, sondern um die Sichtbarkeit von Frauen weiter zu stärken. Ich holte die POLITEIA-Fahnenausstellung ins LCC, in dem ich für die Volkshochschule eine Galerie eingerichtet hatte. Dafür konnte ich Marianne Hochgeschurz als Referentin gewinnen, eine engagierte Frau, die sich seit Jahren für Geschlechtergerechtigkeit einsetzte. Zusätzlich gestaltete ich zusammen mit meiner Praktikantin eine begleitende Ausstellung auf Stellwänden, die Zeitungsartikel über herausragende Frauen aus unserer Region zeigte – darunter Persönlichkeiten wie Maria Geis-Wittmann. Es war ein eindrucksvolles Panorama weiblicher Leistungen vor Ort.
Die Eröffnung war ein voller Erfolg – das Foyer war bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Stimmung war heiter und selbstbewusst, auch wenn viele Männer recht säuerlich dreinschauten. Die Frauen hingegen – von jung bis alt – zeigten sich bewegt und bestärkt. Der Funke war übergesprungen.

POLITEIA in Leipzig – Sichtbar auf Bundesebene

Genau wegen dieser Wirkung lud uns Marianne Hochgeschurz  2003 zur Ausstellung POLITEIA – Frauen. Macht. Politik. nach Leipzig ein. Dort hatten wir die Ehre, neben anderen internationalen Künstlerinnen einen Teil des Ost-West-Dialogs zu präsentieren. Dieses bundesweite Ausstellungsprojekt stellte die Rolle der Frau in der deutschen Nachkriegsgeschichte in den Mittelpunkt. Mit großformatigen Tafeln und künstlerischen Beiträgen wanderte die Ausstellung durch zahlreiche Städte und wurde wissenschaftlich begleitet.
Unsere Beteiligung war nicht nur ein Zeichen fachlicher Anerkennung, sondern auch ein symbolischer Schritt: Unsere Arbeit wurde im Kontext historischer und politischer Entwicklungen sichtbar gemacht – dort, wo Sichtbarkeit besonders zählt.

Noch immer aktuell – als Frau im Kunstsystem ist man unsichtbar

Heute, im Jahr 2025, haben sich die Strukturen nur langsam verändert: Frauen sind an Kunsthochschulen in der Mehrheit. Doch große Preise, Stipendien und Ausstellungshonorare gehen überwiegend an Männer. Die Entscheidungsgremien sind nach wie vor zu rund 70–80 % männlich besetzt. Diese Fakten zeigen: Die Unsichtbarkeit von Künstlerinnen ist kein Relikt der Vergangenheit – sie ist strukturell. Und sie braucht weiterhin entschlossene Gegenstrategien.

Mein Fazit nach 25 Jahren

Der Weg vom Ost-West-Dialog bis zur POLITEIA-Ausstellung war mehr als ein künstlerisches Projekt – er war ein frauenpolitisches Statement. Ich habe gelernt, dass Veränderung dort beginnt, wo wir uns zeigen – auch wenn der Gegenwind heftig ist. Der Frauenkunstpreis, die Fahnenausstellung, die Beteiligung in Leipzig – all das waren Meilensteine, die mich geprägt haben.
Heute nutze ich meine Plattformen – meinen Wunderhof, meine Ausstellungen, Bücher, meinen YouTube-Kanal – um weiterhin Frauen in der Kunst sichtbar zu machen. Und ich wünsche mir, dass wir gemeinsam daran arbeiten, Räume zu schaffen, in denen weibliche Perspektiven nicht nur geduldet, sondern gewünscht sind. Dafür braucht es weiter mutige Frauen, die die Erwartungen der Kunstwelt durchbrechen und anderen Frauen die Chance geben, auch „private“ und „emotionale“ Arbeiten zu zeigen.

Quellen
Frauen sehen Männer — Frauenkunstpreis des Landkreises und der VHS Amberg-Sulzbach
Bundestagsarchiv zur POLITEIA-Ausstellung:
webarchiv.bundestag.de – POLITEIA

Ausstellungseröffnung zum Frauenkunstpreis der VHS Amberg-Sulzbach

Evi Steiner-Böhm und Roswitha Braun-Sauerstein bei einer Ausstellungseröffnung mit Familienministerin Dr. Bergmann als Rednerin vor ihren Bildern

Ausstellungseröffnung Ost-West-Dialog mit Dr. Christine Bergmann

Ausstellungen in Nürnberg, Chemnitz und Sulzbach-Rosenberg

Evi Steiner-Böhm und Roswitha Braun-Sauerstein stehen vor zwei groeßen expressiven Porträts in rötlichen Farbtönen und zeigen ihr Buch mit dem Titel Ost-West-Dialog.

Buchvorstellung Ost-West-Dialog in Leipzig auf der Buchmesse

Das Buch zum Ost-West-Dialog mit allen Bildern, Protokollen und persönlichen Gedanken gibt es im Wunderhof Online-Shop.