Veränderungsprozesse und ihre Muster

“Leben ist Veränderung!” Haben Sie sich auch schon mal fürchterlich über diesen Spruch geärgert? Vor allem wenn Sie gerade in den größten Schwierigkeiten gesteckt haben? Dann waren Sie vermutlich gerade in der Wutphase des Veränderungsprozesses. Oder hat Sie dieser Spruch noch mehr gelähmt, haben Sie sich noch mehr als Versager gefühlt? Dann waren Sie vielleicht noch in der Phase des Verlustes. Oder haben Sie voller Tatendrang zugestimmt und sich bestätigt gefühlt? Dann waren Sie vermutlich schon in der Neuorientierungsphase des Veränderungsprozesses.

Leben ist Veränderung.

Auch wenn wir selber uns glauben machen, wir wünschten uns nichts mehr, als dass immer alles so bliebe: alles Lebendige strebt zu jedem Zeitpunkt nach Wachstum. Wenn dieses Streben ausbleibt, folgt der Tod – und selbst der ist Veränderung, nämlich die Veränderung zu einem anderen Seinszustand.

Welche Arten der Veränderung gibt es?

Alles was Sie in Ihrem Leben noch nicht selber erlebt haben, empfinden Sie als Veränderung. Erinnern Sie sich an Ihre Einschulung? Als Sie lernten mit dem Fahrrad zu fahren, als Sie schwimmen lernten? An den Tod eines nahen Angeörigen? Den Umzug in ein neues Heim? Als ein bestimmter Mensch in Ihr Leben trat?  Oder haben Sie ein großes Ziel erreicht, eine wichtige Prüfung bestanden? Haben Sie eine Trennung erlebt, den Verlust Ihres Arbeitsplatzes? Das alles sind Veränderungen.

Veränderungen sind weder positiv noch negativ

Viele der Veränderungen werden Sie als positiv erlebt haben, viele davon als negativ. Das liegt vor allem daran, dass wir in einer Kultur leben, in der Hierarchien das Leben bestimmen. Was für uns gut und schlecht ist, beurteilen wir meistens nicht nach dem, was wir selber für uns wünschen, sondern nach dem, was wir als gut und schlecht gelernt haben.

Selbst wenn zum Beispiel der Verlust eines Arbeitsplatzes für Sie das Beste war, was Ihnen passieren konnte, empfanden Sie ihn vielleicht als negativ, weil Sie glaubten, Ihre Umwelt sähe Sie nun als Versager.  Oder Ihr Mann hat Sie mit einer anderen Frau “betrogen” und nun fühlten Sie sich wertlos, weil Ihre Umwelt mitleidig auf Sie herabsah.

Wir verursachen jede Veränderung mit

Auch wenn es manchmal schwer zu glauben ist, wir verursachen jede einzelne Veränderung in unserem Leben mit. Bewußt oder unbewußt tragen wir mit unserem Verhalten, unseren Entscheidungen dazu bei, dass sie eintreten. Und wenn es uns gelingt, diese Veränderungen neutral zu betrachten, erkennen wir, dass sie alle einem bestimmten Grundmuster folgen.

Die Phasen der Veränderung

Es gibt unzählige Untersuchungen über Veränderungsprozesse, die alle ungefähr zum gleichen Ergebnis kommen. Eine der Pionierinnen auf diesem Gebiet war Elisabeth Kübler-Ross. Sie hat im letzten Jahrhundert Sterbende begleitet und bemerkt, dass sie alle bis zu ihrem Tod bestimmte Phasen durchlaufen. Mittlerweile weiß man, dass diese Phasen so oder so ähnlich auch in allen anderen Veränderungsprozessen auftreten. Diese Kenntnisse werden vielfältig genutzt, in der Psychotherapie genauso wie in der modernen Unternehmensberatung.

“Change Management”, also den Umgang mit Veränderungen, können Sie aber auch für sich selber lernen.

Sehen wir uns die Phasen der Veränderung an:

Phase 1 – Die Veränderung beginnt

Meistens scheint sie aus heiterem Himmel zu kommen. Gerade eben war die Welt noch in Ordnung, alles schien perfekt. “So soll es sein, so kann es bleiben”.

Dann passiert es: Ihnen wird z.B. eine leitende Position angetragen, oder Sie erfahren, dass Sie eine schwere Erkrankung haben. Ihr Partner oder Ihre Partnerin teilt Ihnen mit, dass er/sie sich von Ihnen trennen möchte, oder Sie lernen Ihren Traumpartner oder Ihre Traumpartnerin kennen. Ganz egal ob die kommende Veränderung Ihnen momentan positiv oder negativ erscheint – sie wird Ihr Leben so wie es bisher war, völlig verändern.

Gefühlszustände, die diese Phase begleiten sind:  Irritation, Schock, Ungläubigkeit, Angst, Vorsicht

Phase 2 – Die Abwehr

In dieser Phase wird uns bewußt, dass unser Leben sich verändert hat. Wir werden mit den ersten Auswirkungen konfrontiert, unser Handeln wird eingefordert, obwohl wir noch gar nicht richtig verstanden haben, was gerade passiert ist. Wir versuchen uns Zeit zu verschaffen, indem wir uns alle möglichen Widerstände schaffen. Wir lenken uns ab, machen ganz viel, was möglichst nichts mit der Veränderung zu tun hat, oder wir tun gar nichts. “Blinder Aktionismus” kommt in dieser Phase genauso häufig vor wie völlig Lähmung.

Gefühlszustände in dieser Phase: Zweifel, Abwehr, Verleugnen, Verdrängen

Phase 3 – Die Bearbeitung

In dieser Phase hat sich die neue Situation verfestigt und wir beginnen, sie emotional zu bearbeiten. Wir werden vielleicht wütend, oder wir bemitleiden uns selber, wir streiten, wir weinen, wir sind frustriert. Trotzdem beginnen wir zu verstehen, dass wir handeln müssen, aber auch, dass wir handeln können. Neue Verhaltensweisen werden zum ersten Mal ausprobiert, verworfen, nochmal probiert, wir beginnen nach Lösungen zu suchen.

Gefühlzustände sind hier: Wut, Frustration,  Unbehagen, vorsichtige Hoffnung

Phase 4 – Das Verstehen

Jetzt haben wir die größten Hürden genommen und beginnen, uns in der neuen Situation zurechtzufinden. Mit zunehmender Sicherheit können wir nun zurückblicken und unser Verständnis dafür, was wir gelernt haben und wie sehr uns das Geschehen bereichert hat, beginnt zu wachsen.

Gefühlszustände: Stolz, Selbstvertrauen, Zuversicht, Optimismus

Phase 5 – Die Neuorientierung

Alle Themen die uns in der vergangenen Zeit beschäftigt haben, sind integriert. Wir haben sie in unsere Vergangenheit eingeordnet, haben gelenrt, sie in der Gegenwart zu nutzen und können nun unsere Zukunft damit gestalten. Wir sind mit einem neuen Erfahrungsschatz ausgestattet und bereit, zu neuen Ufern aufzubrechen.

Gefühlszustände: Neugier, Lust auf Neues

Was wir daraus lernen können

In jeder dieser Phasen kann es passieren, dass wir “steckenbleiben”. Wer sehr ängstlich erzogen worden ist, hat oft nicht den Mut den neuen Weg einzuschlagen, den die Veränderung vorgibt. Dann wird vermutlich nach einer längeren Zeit des Stillstandes, eine neue Veränderung in unser Leben treten und das gleiche Spiel beginnt von vorne. Solange, bis wir gelernt haben, Veränderungen bewußt in unserem Sinne zu gestalten, und uns dann vertrauensvoll von ihnen tragen zu lassen.

Sollten Sie sich gerade in einer Zeit der Veränderung befinden, ist es hilfreich sich bewußt zu machen, wo Sie in Ihrem Veränderungsprozess gerade stehen. Geben Sie sich dann für jede der Phasen selber unbedingt die Zeit, die Sie brauchen, um sie gut durchzuarbeiten. Zögern Sie auch nicht, wieder umzukehren, wenn Sie merken, dass Sie noch nicht bereit sind für den nächsten Schritt. Manchmal ist es besser eine Klasse zu wiederholen, damit der Stoff dann auch richtig sitzt.