Kann man von Kunst leben und wenn ja, wie geht das?

Dieser Text ist das etwas erweiterte Transkript meines YouTube Beitrages, den Ihr auf meinem Kanal findet. Achtung externer link!

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Kunst ist in allen ihren Formen, wie Musik, Malerei, Tanz, Theater oder Prosa, der stetige Pulsschlag, der uns durch alle Zeiten, durch alle Schrecknisse und alle wunderbaren Erlebnisse daran erinnert, dass wir lebendig sind, dass das Leben immer weitergeht. Dass die Sonne irgendwann untergeht, aber auch, dass sie am nächsten Tag wieder aufgeht. Sie ermahnt uns, wachsam zu sein, regt uns an, Dinge zu verändern, wenn die Lebensumstände es erfordern, und sie gibt uns die Hoffnung, dass es gelingen wird.

Wir alle kennen das, dass uns Musik zum Weinen bringt, dass ein Bild mehr sagen kann als 1000 Worte, dass ein Film uns Lösungen für Probleme aufzeigt, die wir für unlösbar gehalten haben. Kunst schöpft aus dem kollektiven Unbewussten und macht dieses gemeinsame Wissen für unser Alltagsleben sichtbar und nutzbar. Und genau dafür brauchen wir als Menschheitsfamilie unsere Künstlerinnen und Künstler. Deshalb ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen diese Quellen nutzen können, sei es, indem sie sich selber künstlerisch betätigen, sei es, dass sie an dem, was Künstlerinnen und Künstler tun, teilhaben können.

Weil wir Künstlerinnen und Künstler diesen wichtigen Beitrag für die Gemeinschaft leisten, ist es natürlich wichtig, dass wir von unserer Arbeit auch leben können. Uns muss nur bewusst sein, dass wir, auch wenn wir gerne aus dem Unbewussten schöpfen, wir auch am ganz normalen Wirtschaftsleben teilnehmen und hier keine Sonderrechte genießen. D. h. wir müssen unseren Lebensunterhalt mit unserer Arbeit selber verdienen und können nicht erwarten, dass irgendjemand kommt und das für uns tut.

Wenn Ihr wisst, dass Ihr diesen Zugang zum Unbewussten leicht und mühelos habt und deshalb Eueren Lebensunterhalt mit Kunst verdienen möchtet, seid Ihr mit einer ganzen Reihe von Problemen konfrontiert, die Ihr für Euch klären müsst, um für euere Arbeit selbstbewusst den entsprechenden Lohn einfordern zu können.

Ich beziehe mich in diesem Beitrag ausschließlich auf Kunst, die in irgendeiner Form mit visueller Gestaltung zu tun hat, weil das meine Expertise ist, vieles davon trifft natürlich auch auf andere Sparten der Kreativbranche zu.

Problem 1: Das Berufsbild des Künstlers, der Künstlerin ist unklar

Das Berufsbild des gestaltenden Künstlers ist durch die Entwicklungen im 20. Jhd. diffus und schlecht angesehen. Stellt man 10 verschiedenen Menschen die Frage, was machen denn Maler:innen, Grafiker:innen, Zeichner:innen oder Illustrator:innen, dann wird man 10 verschiedene Vorstellungen bekommen – aber was Genaues wird man hinterher nicht wissen. In den allermeisten Fällen wird dann sofort das Vorurteil Nr. 1 kommen, „na ja, von Kunst kann man eh´ nicht leben, die werden halt noch irgendetwas anderes machen. Aber dann sind sie ja keine richtigen Künstler mehr.“

Frage 1: Warum ist das so?

Bis ins 19. Jhd. hinein waren gestaltende Berufe wie Kunstmaler, Schildermaler oder Kupferstecher Lehrberufe wie alle anderen Handwerksberufe auch. Viele davon waren bereits seit dem 12. Jhd. in Zünften organisiert, die die Ausbildungspläne festlegten und auch wer einen Meisterbetrieb führen durfte. Ab dem 17. Jahrhundert kamen dazu auch Akademien, zuerst private Akademien und später auch staatliche Kunsthochschulen, alle mit formalen Ausbildungskriterien, wie andere Berufe auch.

Auftraggeber für die gestaltenden Berufe waren damals hauptsächlich die Kirchen, die mit Bildern die Menschen erreichen wollten, die nicht lesen konnten. Mit dem Aufkommen des Humanismus kam dazu eine weltliche Schicht aus Adeligen und reichen Bürgern, die Bilder für ihre Räume brauchten und sich das auch leisten konnten.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts trafen mehrere Dinge zusammen, die auch für die Kunst gravierende Änderungen brachte. Die beginnende Industrialisierung, das Aufkommen von Menschen- und Bürgerrechten, sprengte das tradierte Ständewesen und bereitete den Boden für eine neue Gesellschaft.

Die Künstler griffen diese neuen Ideen im Impressionismus auf. Sie wehrten sich gegen Vorschriften, Zünfte und starre akademische Regeln, nahmen ihre Ausbildung in die eigenen Hände. Der Stilrichtungen des Impressionismus und später des Expressionismus sind diesem neuen Gedankengut geschuldet. Van Gogh wurde mit seinem Ringen um diesen höchstpersönlichen Ansatz nicht nur zum Inbegriff eines neuen Typus des Künstlers, sondern auch für den selbstbestimmten Menschen überhaupt.

Das Ringen um ein neues Menschenbild brachten uns das Chaos und die Verwüstungen der beiden Weltkriege, bis sich dann Mitte des 20. Jahrhunderts in der westlichen Welt überall Demokratien etablierten. Die Kunst spiegelte diese neuen gesellschaftlichen Ordnungen wider. Alles war erlaubt, alles war Kunst, jeder durfte Kunst machen, es gab keine Grenzen mehr.

Im Art. 5 unseres Grundgesetzes heißt es deshalb auch:

Art. 5
(1) 1. Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. 2. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. 3. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) 1. Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. 2. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Aber diese Freiheit hat auch ihren Preis. Denn für viele Menschen ist Kunst dadurch beliebig geworden. Die Stilrichtung der Abstraktion in der bildenden Kunst hat dazu noch weiter beigetragen, weil viele Menschen das einfach nicht mehr ernst genommen haben. „Das kann doch jeder“ und „das ist doch keine Kunst“ bringt auch die Sehnsucht der Menschen nach dem Besonderen, dem Kostbaren zum Ausdruck. Wie zuvor erwähnt: die Kunst ist der Pulsschlag der menschlichen Entwicklung und sie macht Dinge sichtbar, hörbar und erlebbar, die man auf andere Weise (noch) nicht zum Ausdruck bringen kann. Wenn Ihr hier Parallelen zum aktuellen gesellschaftlichen Leben erkennt, dann ist das kein Zufall.

Lösung 1

Mit dieser Situation muss sich jeder auseinandersetzen, der von Kunst leben möchte. Das allererste, was Künstler und Künstlerinnen zu allen Zeiten immer und immer wieder tun müssen, ist, für sich selber zu definieren, was Kunst ist. Und weil Kunst aktuell eben so frei ist, ist das natürlich schwierig. Künstlerinnen und Künstler müssen nun einen Weg finden, der Ordnung in das Chaos bringt. Für sich selbst und im Idealfall auch für andere. Das erreicht man dadurch, dass man sich von seinem unbewussten Gefühl leiten lässt, zu den Themen, zu der malerischen Ausdrucksweise, die einem dieses Gefühl dann eingibt. Welcher Weg sich dabei langfristig als der richtige herausstellen wird, wird sich zeigen. Für mich war z.B. von Anfang an klar, dass ich realistisch-impressionistisch malen will und ich die Themen damit bearbeiten möchte, die mir persönlich Kraft geben, die mich an das Gute in der Welt glauben lassen. Das waren hauptsächlich Porträts, Blumen und Stillleben. Und ich wollte das mit meiner Fähigkeit zu unterrichten verknüpfen.

Problem 2: die passende Ausbildung finden

Das Problem einer fundierten Ausbildung geht einher mit dem eben beschriebenen veränderten Kunstbegriff. Das, was man sich ganz naiv und allgemein als Ausbildung vorstellen würde, wenn Künstler oder Künstlerin ein Ausbildungsberuf wäre, gibt es nicht. Man würde erwarten, dass man zunächst alle handwerklichen und technischen Fertigkeiten und Kenntnisse beigebracht bekommt. Und dass man auch lernt, wie man später mit seiner künstlerischen Arbeit Geld verdient. Also z.B. die Ölmalerei von der Pike auf lernt, Porträts, Landschaften oder Stillleben mit Licht und Schatten malt, wie man großformatige Bilder auf Wände überträgt oder wie man Aufträge akquiriert, was man wissen muss, um erfolgreich mit einer Galerie zusammenarbeitet. Und für alle, die gar nicht unbedingt freie Künstler werden wollen, würde man sich Aufbauausbildungen in Zweitfächern wie z.B. Mode, Holzbau oder Pädagogik vorstellen.

Man kann in Deutschland zwar Kunst studieren, wird in der Regel an der Akademie aber nicht diesen erwarteten fundierten Unterbau, sondern nur Teile davon schwerpunktmäßig vermittelt bekommen. Denn in Deutschland wie in der ganzen westlichen Welt liegt der Schwerpunkt aktuell auf Entfaltung der Individualität, der Kreativität ganz allgemein. Die handwerklichen Grundlagen dafür werden zum großen Teil vorausgesetzt.

Frage 2: Was muss ich also wissen, bevor ich mich um eine Ausbildung bemühe?

Macht Euch unbedingt klar, wer Ihr seid, welche Wünsche und Träume Ihr für Euer Leben habt. Wollt Ihr eher freiberuflich oder angestellt sein, möchtet Ihr eine Familie mit vielen Kindern oder lieber um die Welt reisen? Welche Berufe würden Euch außer Kunst noch interessieren? Gibt es eventuell Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Interessengebieten? Denn je klarer Ihr Euch darüber seid, desto einfacher wird die für euch passende Lösung.

Lösung 2: Eine eigene Ausbildung konzipieren

Wenn Ihr Euch ein Leben als Freiberufler mit wechselndem Einkommen, ortsungebunden und ohne starke familiäre Bindungen vorstellen könnt, ist ein Studium der Freien Kunst auf jeden Fall eine Option. Ihr könnt euch dann voll und ganz auf die künstlerische Arbeit konzentrieren und werdet auch automatisch Menschen anziehen, die das gut finden und so ein passendes Netzwerk bilden.

Wenn das nichts für Euch ist, Ihr z.B. auf jeden Fall eine Familie möchtet, ortsgebunden seid und bleiben möchtet, oder Ihr keinen Studienplatz bekommt, solltet Ihr Euch überlegen, zunächst einen Ausbildungsberuf zu erlernen oder ein anderes Fach zu studieren. Ob das SchreinerIn, MediengestalterIn, Bürokaufmann oder -frau, Reiseverkehrskaufmann- oder frau oder ErzieherIn, KommunikationsdesignerIn ist, oder wie in meinem Fall ein Lehramtsstudium ist, was immer Euch gefällt, hilft Euch weiter. Zum einen habt Ihr so immer die Möglichkeit über eine Teilzeitanstellung Euere Grundsicherung zu finanzieren und vor allem krankenversichert zu sein. (Anm.: Wenn Ihr als freie Künstler arbeitet, müsst Ihr, um über die Künstlersozialversicherung krankenversichert zu werden, nach spätestens drei Jahren ein Mindestjahreseinkommen aus Euerer künstlerischen Tätigkeit erwirtschaften und das ist für viele schon eine unüberwindbare Hürde.)
Zum anderen sammelt Ihr wichtige Erfahrungen im Berufsleben. Im Idealfall lernt Ihr sogar schon, wie man ein Geschäft führt, wie man Rechnungen schreibt, wie man Geschäftskontakte knüpft oder wie man Kunst unterrichtet. Auf jeden Fall werdet Ihr auch auf diesem Weg ebenfalls Menschen anziehen, die das gut finden und ein passendes Netzwerk bilden.

Zeitgleich könnt Ihr Euch für Euere künstlerische Ausbildung an einer privaten Kunstschule einschreiben, Sommerakademien besuchen oder, wenn Ihr sehr diszipliniert seid, Euch das, was Euch interessiert, im Selbststudium beibringen. Private Kunstschulen sind natürlich kostenpflichtig und deshalb nicht für jeden eine Alternative. Der Nachteil ist hier auch, dass Ihr nie die Sicherheit habt, die Euch ein Zeugnis gibt, nämlich den einigermaßen objektiven Nachweis, dass Ihr die wichtigsten Ausbildungsinhalte drauf habt. Der einzige Prüfer, die einzige Prüferin seid in dem Fall ihr selber und das ist vor allem für Anfänger schon ziemlich stressig. Aber auch das legt sich nach einigen Jahren Berufserfahrung mit den ersten Erfolgen. Ich habe z.B. nach meinem Lehramtsstudium zuerst einen Fernstudiengang für Zeichnen und Malen absolviert und dann Privatunterricht in klassischer Ölmalerei bei einem italienischen Maler genommen.

Problem 3: Wie kann ich von meiner Kunst leben

Wenn Ihr Euere Ausbildung welcher Art auch immer abgeschlossen habt, geht es nun darum, ins Berufsleben einzusteigen. Das Ziel ist, dass man wie jeder andere Berufstätige auch von seiner Arbeit leben kann.

Hier steht ihr wieder aufgrund des aktuellen Bildes von Kunst oder Künstlerinnen und Künstlern, vor dem gleichen Problem: Euch werden nicht wie in anderen Berufen Arbeiten angetragen, denn es weiß ja keiner so wirklich, was Ihr eigentlich macht. In jedem anderen Beruf können sich Menschen vorstellen, was Ihr Ihnen eventuell anbieten könnten, also z.B. einen Schrank bauen, den Garten neu gestalten, Blumensträuße binden, Kleider anfertigen oder die Steuer machen oder sie bei Krankheit behandeln. Das sind alles alltägliche Arbeiten, unter denen sich die meisten Menschen etwas Ähnliches vorstellen können, aber Künstler:innen? Wozu braucht man die?

Frage 3: Was habe ich anzubieten?

Wieder seid Ihr gefragt. Wie jeder andere Dienstleister, wie jedes andere Geschäft müsst Ihr Euch Produkte oder Dienstleistungen überlegen, die zu euch passen und die Ihr anderen anbieten könnt. Scheut euch da auch nicht vor der Kombination mit anderen Tätigkeiten. Kunst um der Kunst willen ist zwar ein toller Anspruch, aber nicht unbedingt für jeden ein funktionierendes Geschäftsmodell. Schaut Euch um, wovon andere Künstler:innen leben und ob deren Geschäftsmodelle für euch passen könnten. Macht am besten einen Fragebogen, den Ihr auch Familie, Freunden oder Lehrer:innen geben könnt, mit der Bitte aus deren Sicht für die jeweilige Euerer Fertigkeiten eine Punktzahl zu vergeben. Oft können wir uns selber nämlich nicht richtig einschätzen, bewerten uns selber zu gut oder zu schlecht. Manchmal glauben wir nicht, dass etwas, was für uns nicht der Rede wert ist, für andere eine wertvolle Ressource darstellt.
Macht auch hier nicht den Fehler, von vornherein etwas auszuschließen, nur weil Ihr glaubt, wenn Ihr dies oder das macht, seid ihr keine richtigen Künstler:innen. Denkt dran: IHR definiert, was Euere Kunst ist.

Zeichnen
Malen
Illustrieren,
Erklären
Dekorieren
Beschreiben
Verkaufen
Ordnen
Ideen entwickeln
Konzipieren

Lösung 3: Ein auf mich maßgeschneidertes Angebot für den Markt entwickeln

Vorschläge für Geschäftsideen wären z.B.

Auftragsmalerei in Zusammenarbeit mit ortsansässigen Malerfirmen (Wandmalerei, Illusionsmalerei) – Kombinationsmöglichkeit mit einer Ausbildung zum Maler/Lackierer
Auftragsarbeiten im Privatbereich: Porträts, Tierporträts
Unterricht an Volkshochschulen oder privaten Kunstschulen
Malreisen organisieren und/oder leiten – (in Kombination mit einer Ausbildung als Reiseverkehrsfachfrau oder -mann
Malvorführungen als Events bei Veranstaltungen anbieten
Grußkarten entwerfen und Texte dazu schreiben (als Teil einer Festanstellung in einem Verlag)
Dekoration für Alltagsgegenstände entwerfen
Ein Atelier mit Cafébetrieb
Kunstprojekte im öffentlichen Raum entwickeln
Kunstbedarf verkaufen

Wenn Ihr die Idee für ein stimmiges Geschäftsmodell entwickelt habt, dann solltet Ihr UNBEDINGT einen Existenzgründerkurs machen. Die werden z.B. von den Industrie- und Handelskammern meistens zu 100 % als Weiterbildung gefördert und hier zeigt man Euch wie die rechtliche Seite aussieht, wie man einen Businessplan schreibt und wie grundlegendes Marketing funktioniert. Ihr könnt eine selbstständige Tätigkeit auch eine ganze Weile nebenberuflich machen, um auszutesten, ob Euere Geschäftsidee funktioniert. Und denkt dran, alles hängt am Ende davon ab, wie sehr ihr selber davon überzeugt seid, und wie viel Energie ihr hineinsteckt,

 

Problem 4: die Künstlerpersönlichkeit

Was Euch bei Eueren Entscheidungen sehr im Weg stehen kann, ist, dass Ihr als Künstler:innen sehr wahrscheinlich Routinearbeiten hasst, dass Ihr ständig vor Ideen übersprudelt, dass es Euch schwerfällt, lange an einer Sache dranzubleiben und ihr dadurch langfristige Ziele gefährdet.

Frage 4: Welche Persönlichkeit seid Ihr?

Jeder Mensch ist anders und jeder Mensch muss mit sich selber zufrieden sein, um langfristig erfolgreich zu sein. Wenn man ständig mit sich hadert und die kleine Stimme im Kopf hat, die sagt: Du solltest mehr so oder so sein, oder du solltest wie der oder die sein, oder schau mal, was der schon erreicht hat, wie die schon in dem Alter erfolgreich war, wie viel Geld die verdienen, das schaffst du doch nie, dann wird es tatsächlich sehr schwer durchzuhalten.
Um herauszufinden, welche Persönlichkeit Ihr seid, finde ich den 16 Personalities Test sehr hilfreich.
https://www.16personalities.com/de

Lösung 4: Tut, was für Euere Persönlichkeit am besten passt

Wir haben diese Problematik in unserer Familie sehr oft diskutiert, weil zwei meiner Söhne ebenfalls im Kreativbereich tätig sind. Und für uns dann Wege gefunden, damit umzugehen und die Freude an der Arbeit so zu erhalten. Was wir zum Beispiel alle gemeinsam haben ist, dass wir Routinearbeit nur wenige Stunden am Stück machen können, dass wir Abwechslung brauchen, dass wir keine festen Bürozeiten einhalten können, weil das unsere Kreativität im Keim erstickt. Deshalb haben wir alle unsere Arbeiten so organisiert, dass wir ständig zwischen den Arbeiten wechseln können, wenn wir merken, dass uns das eine zu langweilig wird. Ich zum Beispiel mache Hausarbeit, oder arbeite im Garten, wenn ich mich nicht mehr konzentrieren kann. Ich mache mittags mehrere Stunden Pause, dafür arbeite ich abends länger. Unter dem Strich kommen wir alle auf eine 40 bis 60 Stundenwoche, aber eben ohne uns dabei zu langweilen. Diese Art zu arbeiten kann man Menschen, die im Büro arbeiten und Routine lieben, nicht erklären – man muss es aber auch nicht.

Meine eigenen Erfahrungen

Ich möchte euch zum Schluss noch ein bisschen von meinen Erfahrungen erzählen, um meine Ratschläge mit der Realität unterfüttern. An den Anfang sei gestellt, dass mein Ziel immer war, von meiner Kunst leben zu können. Für mich war auch klar, dass ich Kinder haben möchte und in meiner Heimat bleiben möchte. Meine Heimat war und ist mir wichtig und deshalb haben sich alle meine Überlegungen immer darauf konzentriert, wie ich Beruf und Familie in meiner Heimat verbinden kann.

Ich hatte das Glück im Unglück, dass ich fertige Gymnasiallehrerin für Englisch und Geschichte war, als ich beschloss, dass ich meine künstlerische Arbeit zu meinem Hauptberuf zu machen möchte. Solange meine Kinder klein waren, hab´ ich stundenweise Englisch unterrichtet und mir damit meine Ausbildung finanziert. Ich habe zunächst einen Fernstudiengang in Zeichnen und Malen absolviert und habe mit dem Diplom das ich dort erreicht habe, angefangen, an mehreren Volkshochschulen in der Region Kurse zu geben. Daneben habe ich erste Ausstellungen organisiert und relativ bald angefangen, Porträts zu malen. Dazu habe ich Menschen, die mich irgendwie berührt haben, gefragt, ob ich von ihnen ein Porträt anfertigen darf, und sehr häufig haben sie dieses Porträt dann erworben. So kamen mit der Zeit durch Mundpropaganda Auftragsporträts dazu.
Ich habe eine Hobbymalergruppe gegründet und mir dadurch regional einen Namen gemacht. Unsere Ausstellungen waren immer sehr gut besucht, weil natürlich jeder Publikum mitbrachte. Realistische Malerei wurde damals von den akademischen Künstlern zwar belächelt, aber den Menschen gefielen unsere Bilder. Zu meinem Portfolio kamen zu dem Zeitpunkt einheimische Blumen und Landschaften, die sich sehr gut verkauft haben, später auch Stillleben.
1998 hab´ ich dann eine Zusatzausbildung in kunsttherapeutischen Arbeitsweisen gemacht, die mir den Weg in die Psychologie eröffnet hat.

Ich habe dann in Zusammenarbeit mit der örtlichen Volkshochschule meine erste Kinder- und Jugendkunstschule gegründet, weil mir durch die Ausbildung so klar geworden war, wie wichtig künstlerisches Arbeiten für eine gesunde Psyche sein kann. Allerdings habe ich den Schwerpunkt von Anfang an auf die Vermittlung von klassischen Inhalten gelegt, weil ich ja von mir selber wusste, wie wichtig es mir war, Dinge so zeichnen und malen zu können, dass sie wie echt aussehen. Auch das hat sich als Volltreffer erwiesen, denn meine Kurse waren immer ausgebucht.

Durch diesen Erfolg hatte ich dann Gelegenheit einige Jahre den Fachbereich Kulturelle Bildung an der VHS zu leiten, wo ich unter anderem eine Galerie aufgebaut habe. Diese Tätigkeit wiederum hat mir die nötigen Verbindungen eingebracht, als ich die Idee zu Kunstprojekten im öffentlichen Raum hatte. Der Traumpfad, der Farbenwald und schließlich der Wunderhof sind entstanden, weil ich mit der Zeit ein breit gefächertes Netzwerk hatte und ich dadurch das hatte, was man heute Follower nennt. Einfach Menschen, die das, was ich machte, gut fanden und mich unterstützt haben.

Als Künstlerin anerkannt zu werden, damit meinen Lebensunterhalt zu verdienen, war ein ständiger Prozess. Es gab nie den Punkt, wo ich wusste, so jetzt bin ich eine gemachte Frau, jetzt mache ich immer so weiter – vor allem auch deshalb nicht, weil ich wie alle Künstler:innen schlecht Routine aushalten kann. Neue Wege zu gehen, immer wieder Veränderungen zu bewirken, etwas ausprobieren ist mein Lebenselixier. So kamen 2007 mit dem Wunderhof ein Kunst-Café und meine eigene Jugendkunstschule dazu, bis wir vor drei Jahren beschlossen den Wunderhof umzubauen. Da begann ich dann YouTube-Videos mit den Inhalten zu machen, die mir ja bestens vertraut waren und damit die Pedro und Rosa Bücher in den Vordergrund meiner Arbeit zu stellen. So entstand auch eher zufällig der Wunderhof Verlag, den wir jetzt weiter ausbauen wollen.

Ich weiß nicht, wie sich alles weiterentwickeln wird – aber das ist genau das, was mir an meinem Beruf so Spaß macht, dass immer etwas Neues Schönes entstehen kann.