KUNST-REBELLION: Ich mache schöne Kunst

Ich bin Evi Steiner-Böhm. Ich mache schöne Kunst. Oder: warum ich glaube, dass es eine KUNST-REBELLION braucht.

Ihr bemerkt sicher schon an der Formulierung, dass ich das sage, als würde ich mich in einer Selbsthilfegruppe mit meinem Problem vorstellen. Und tatsächlich war die Tatsache, dass ich immer schöne Kunst machen wollte, viele Jahre lang ein Problem für mich. Warum das so war, und warum sich das in den letzten Jahren begonnen hat, zu verändern, darum geht es in diesem Blogbeitrag.

Ich habe in den 90er Jahren angefangen zu malen, also zu einer Zeit, in der viele gesagt haben, die traditionelle Malerei sei tot, und wenn überhaupt Malerei, dann war höchstens noch abstrakte Malerei akzeptabel. Und keinesfalls durfte man schöne Bilder malen, das galt höchstens noch als Kunsthandwerk und wurde belächelt.

Warum war das eigentlich so? Dazu muss man verstehen, dass die Kunst nicht nur Wegbereiter für neue Ideen ist, sondern dass es in der Kunst, wie in allen anderen Lebensbereichen auch, zunächst immer die Pioniere gibt, die etwas Neues ausprobieren. Das sind Menschen, die, meistens aus dem eigenen Leid heraus entschlossen sind, neue Wege zu gehen, die auf Missstände aufmerksam machen, nach Lösungen suchen und oft auch finden. Ein gutes Beispiel sind die Pioniere, die nach Amerika ausgewandert sind, und große Anstrengungen auf sich genommen haben, um das Land urbar zu machen.

Pioniere verändern mit ihrem Tun immer schon ein Stück weit die Gesellschaft und bereiten damit den Weg für die, die nach ihnen kommen. Diese Nachkommen, die Epigonen, sind die eigentlichen Nutznießer, denn sie können auf dem aufbauen, was schon da ist, ohne aber mit den ursprünglichen Schwierigkeiten kämpfen zu müssen.

Eines der bekanntesten Beispiele in der Kunst ist hier Vincent van Gogh, der die Diskrepanz zwischen seiner Innenwelt und dem, was er in der Außenwelt vorgefunden hat, in seinen Bildern eindringlich verarbeitet und sichtbar gemacht. Damit hat er den Weg für viele bereitet, die im 20. Jahrhundert dann den Weg in die Abstraktion beschritten haben.

Und um auch diese Entwicklung richtig einordnen zu können, muss man sich bewusst machen, dass der Mensch als Spezies im 20. Jh. in einem nie da gewesenen Tempo auf praktisch allen Wissensgebieten dazugelernt hat. Tatsächlich hat er sich als der Natur überlegen, quasi gottgleich gesehen.
Was aufgrund dieser völlig übersteigerten Hybris zunächst zu zwei Weltkriegen mit unvorstellbaren Materialschlachten, mit über 100 Millionen Toten und noch viel mehr verwundeten und schwer traumatisierten Menschen geführt hat.

Um die Schrecknisse dieser Zeit so schnell wie möglich vergessen, hat man dann aber nicht etwa darüber nachgedacht, wie man das zukünftig verhindern will, sondern hat sich stattdessen in einen ebenfalls nie da gewesenen Konsumrausch gestürzt. Auch das war nur durch den unglaublichen technischen Fortschritt möglich. Vor allem bei uns im Westen wurde nach dem 2. Weltkrieg die Wegwerfgesellschaft geboren, die immer mehr verbrauchte, ohne sich jemals Gedanken über die Endlichkeit der Ressourcen zu machen. Endlich durfte man alles haben. Warum man jedes Jahr eine komplette neue Garderobe braucht, ein noch größeres Auto, noch mehr Fast Food, noch mehr Alkohol, und noch mehr Ablenkung in Form von endlosen Vergnügungsangeboten, das durfte nicht hinterfragt werden. Wer es trotzdem tat, wurde angegriffen, lächerlich gemacht, und galt als nörgelnder Außenseiter.

Tatsächlich kann man diese Entwicklung der Verdrängung der Kriegstraumata, der Betäubung des Schmerzes durch immer schnellere äußere Bedürfnisbefriedigung auch in der Kunst verfolgen. Zunächst gab es hier tatsächlich insofern eine Pionierleistung, als viele Künstler sich von der äußeren Realität abwandten und das, was sie in ihrem Inneren erlebten, nur durch Farben und Formen, oder auch durch den Gestus beim Malen ausdrückten. Aber daraus wurde dann schnell eine große Ablenkung. Die vermeintliche bedeutende Entwicklung des „Alles ist Kunst, jeder ist ein Künstler“ wurde begeistert aufgegriffen. Endlich konnte jeder alles haben. Kunst wurde zum Fast Food.

Warum man jetzt plötzlich keine handwerkliche Exzellenz mehr brauchte, warum immer noch größere Formate nötig waren, noch größere Gebäude für Ausstellungen, noch mehr verklausulierte Erklärungen für unverständliche Bilder, durfte nicht hinterfragt werden. Wer es trotzdem tat, wurde angegriffen, lächerlich gemacht, ausgegrenzt. Falls Ihr jetzt Parallelen bemerkt, zu dem, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, dann wisst Ihr, dass wir hier von Narrativen sprechen. Narrative sind Geschichten, einfache Erklärungen, oft für unverständliche oder extrem belastende Phänomene, mit denen man sich selber oder andere beruhigt und ablenkt.

Fairerweise muss man sagen, dass die Bewältigungsstrategien dafür, wie wir mit den gewaltigen Veränderungen besser umgehen können, noch nicht ins allgemeine menschliche Bewusstsein übergegangen sind. Die Psychologie, also die Lehre von der Seele, ist eine Wissenschaft, die gerade mal 100 Jahre alt ist. Dass wir Menschen durch Gewalt und Krieg tiefste seelische Verletzungen erleiden, bekannt als posttraumatische Belastungsstörung, und dass sie Männer genauso betrifft wie Frauen, wird ernsthaft eigentlich erst seit dem Vietnamkrieg erforscht.
Wie sehr diese Traumatisierung Menschen zerstört und auch die nachfolgenden Generationen prägt, beginnen wir nur langsam zu verstehen. Vorher hat man von den Menschen erwartet, dass sie wie Maschinen einfach wieder in ihr normales Leben zurückkehren. Heute weiß man, dass seelische Verletzungen keine Schwäche sind, oder dass man sich halt einfach nur zusammenreißen kann.

Sondern man weiß, dass sich das Gehirn durch Traumata nachhaltig verändert, und dass lange intensive Heilungsprozesse nötig sind, um diese Verletzungen zu heilen. Und hier ziehe ich wieder die Parallele zur Kunst. Ich beobachte seit ca. 10 Jahren, dass immer mehr Künstler sich wieder mit gegenständlicher Malerei beschäftigen, dass sie in ihrer Umwelt nach dem suchen, was sie staunen lässt, dankbar sein lässt. Nach dem, was wir als das Schöne bezeichnen. Um das dann auch adäquat darzustellen, sind sie bereit, wieder nach handwerklicher Exzellenz zu streben, und lassen sich dafür auch auf lange Lernprozesse ein.

Wenn ich das in ein allgemeines Verhalten übersetze, dann heißt das für mich: die Pioniere haben erkannt, dass es, um Schönes zu schaffen, notwendig ist, sich in der Tiefe nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit der Welt um uns herum auseinanderzusetzen. Dass es nötig ist, sich Zeit zu nehmen, sie auch anderen zu geben, und dass die Lern- und Heilungsprozesse sehr lange dauern, aber dass das Ergebnis sich für uns alle lohnt.

Wenn ich meine eigene Geschichte, sowohl als Mensch als auch als Künstlerin, betrachte, dann sehe ich, dass ich genau diesen Weg gegangen bin. Und was ich für mich erlebt habe, dass nämlich auch der Heilungsprozess, so zäh und langsam er manchmal ist, viel Schönes hervorbringen kann, das möchte ich in meinen Bildern zeigen. Deshalb mache ich schöne Kunst.

Und falls Ihr bei dem Begriff REBELLION nun an eine bekannte Serie bei Disney denkt, die FARM REBELLION, oder an die Bewegung ARCHITEKTUR-REBELLION, dann liegt Ihr genau richtig. Auch in der Landwirtschaft und in der Architektur sind bereits Pioniere unterwegs, die den Weg vorbereiten.