Warum ich gegenständlich male

Die gegenständliche Kunst ist im 20. Jahrhundert sehr zu Unrecht in den Hintertreff geraten. Ausgelöst durch die Entwicklungen im 19. Jahrhundert und die Schrecknisse der beiden Weltkriege, haben KünstlerInnen – ihrer Aufgabe entsprechend – mit ihrer Arbeit der Gesellschaft einen Spiegel vorgehalten. Waren der Impressionismus und Expressionismus noch ein Aufbegehren gegen starre Regeln, die Suche nach anderen Sichtweisen, wurde die abstrakte, oder vielleicht verständlicher gesagt, ungegenständliche Kunst ein Ausdruck für Unsagbares, Unbeschreibliches, Traumatisierendes.

Aber dann ist etwas eingetreten, was sich in der Geschichte immer und immer wiederholt. Die Epigonen machen sich die Geschichte ihrer Vorbilder zu eigen und werden damit zu dem, was sie angeblich bekämpfen. Sie nutzen die Vorteile, ohne sich selber in Gefahr zu begeben, ohne selber zu leiden und beginnen dann, das so leicht Gewonnene gegen andere zu verteidigen. Dabei spielen alle Profiteure mit: die Kunstschaffenden, die KunstvermittlerInnen und die KunstverkäuferInnen. So wird aus der Kunst langsam ein elitärer Kreis, der sehr genau kontrolliert, wer mitspielen darf und wer nicht. Und wer nicht nach diesen Regeln spielt, wird ausgegrenzt, lächerlich gemacht oder auch ganz offen bekämpft. Das hat zur Folge, dass die, die draußen bleiben müssen, nur zu oft am Zaun stehen und sich die Nase platt drücken, weil sie so gerne dazugehören würden. Und damit natürlich auch in ihrer Kraft gebunden sind. Die anderen, die drinstehen, bekommen dadurch umso mehr Aufmerksamkeit, und so hält sich das Spiel eine ganze Weile am Laufen. Bis dann wieder jemand kommt, der das System infrage stellt. Sie bezweifeln das? Lesen Sie einmal über die Geschichte der Zünfte, oder die Geschichte der Kunstakademien, da ist das ganz leicht nachzuvollziehen. Und wenn Sie Parallelen zur aktuellen Cancel Culture sehen, auch das ist nichts Ungewöhnliches.

Als ich in den 90er-Jahren anfing auszustellen, ging es mir so, wie oben beschrieben. Ich wollte gegenständliche Kunst machen, weil ich mich mit anderen Menschen über die Außenwelt, das Gegenständliche, unterhalten wollte. Es war damals schon erkennbar, dass wir Menschen dabei waren, unseren Lebensraum langsam aber sicher zu zerstören. Ich wollte sie anregen, unsere herrliche Natur wahrzunehmen, in ihnen den Wunsch wecken, sie zu bewahren, ich wollte die alltäglichen Dinge zeigen, die nicht viel kosten und doch so viel Glück schenken.

Das war nicht immer einfach. Ich hab’ mir am Anfang auch ganz schön Angst machen lassen, von denen, die Kunst studiert hatten. Und mir einreden wollten, ich hätte kein Recht Kunst zu machen. Oder ich verstünde nichts von Kunst, weil ich gegenständlich male. Ich habe mir eine ganze Weile die Nase am Zaun platt gedrückt, bis ich dann irgendwann dachte: „Wieso eigentlich? Wer hat das Recht, Kunst zu definieren? Wer hat das Recht, meine Kunst zu beurteilen?“ Diese Fragen haben mich auf einen langen, sehr langen Weg der Selbstheilung geschickt. Und schließlich dazu geführt, dass ich viele Jahre Kunst unterrichtet habe. Weil ich anderen so gerne das geben wollte, was ich selber so gebraucht hätte: Anerkennung, Respekt, das Gefühl mitmachen zu dürfen.

Ich male noch immer gegenständlich. Das ist mittlerweile auch kein Makel mehr. Denn sehr zu meiner Freude ist diese Art Kunst seit einigen Jahren wieder im Kommen. Weil viele Menschen merken, wie wichtig es ist, sich über die Welt auszutauschen, wieder etwas Neues auszuprobieren, eingeschliffene Verhaltensmuster zu hinterfragen und zu verändern. Und sich nicht mehr das Recht absprechen zu lassen, Kunst zu machen – und zwar in einer ihnen genehmen Form.

Für meine Begriffe muss die Lösung wie in allen anderen Lebensfeldern sein, dass alle mitmachen dürfen. Dass es keinen Zaun mehr gibt, an dem sich jemand die Nase platt drückt, sondern dass jeder (s)einen Platz bekommt.